Ich habe noch aus Januar einen recht interessanten Artikel gefunden....
Zoologisches Mobbing 28.01.2013 / Von Eckhard Fuhr
ZitatEs war gerade Inventur in den Berliner Tiergärten, wie sich das gehört in ordentlich geführten Unternehmen. Wieder einmal bestätigte sich, dass Berlin die Welthauptstadt der Zoos ist. Im 35 Hektar großen innerstädtischen Zoologischen Garten werden 19.484 Tiere in 1474 Formen gehalten, im Tierpark Friedrichfelde 7359 in 861 Formen. Es gibt Leute, die geraten schon angesichts dieser Terminologie in Rage. In der Tat könnte man eine Schmetterlings- oder eine Briefmarkensammlung genau so beschreiben. Darf man aber lebende Tiere "sammeln"? Und darf man es noch als Erfolg ausgeben, wenn man möglichst viele und möglichst viele verschiedene davon gesammelt hat? Verdankt sich die tiergärtnerische Spitzenstellung Berlins möglicherweise nur einer veralteten Denkweise?
Bernhard Blaszkiewitz, der heftig angefeindete Direktor beider Berliner Zoos, hätte zu diesen Fragen einiges zu sagen, und es wäre lohnend, darüber mit ihm zu streiten. Er ist nämlich ein Tiergärtner alter Schule, der daran festhält, dass Zoos, neben allen anderen Aufgaben, die sie haben, möglichst vielfältige Anschauung des Arten- und Formenreichtums der Tierwelt vermitteln müssten. Am lebenden Objekt soll der Besucher die unfassbare Schöpferkraft der Evolution erfahren. Und weil er nicht nur an Darwin, sondern als sehr gläubiger Katholik auch an Gott glaubt, kann man Blaszkiewitz durchaus unterstellen, dass er mit dem Vorführen der unfassbaren Vielfalt der Tierwelt auch so etwas wie Ehrfurcht vor der Schöpfung befördern will.
Wer in Zoos nichts anderes als Tiergefängnisse zu erkennen vermag, für den ist ein solcher Gedanke natürlich eine einzige Provokation. Auch außerhalb der Sektiererecke der "Tierrechtler" hält man die Auffassungen des Berliner Zoodirektors offenbar nicht mehr für satisfaktionsfähig. Über seine konservative tiergärtnerische Position wird nicht diskutiert, sondern es wird versucht, sie aus dem Diskurs hinaus zu mobben, indem man seine Person diskreditiert. Die Anlässe dafür sind nahezu beliebig und entfalten regelmäßig ein gewaltiges Potenzial der Realsatire, wie der jüngste Fall angeblich sexistischer Aktenvermerke zeigt, der nun die Artenvielfalt in den Zoos durch eine(n) Gleichstellungsbeauftragte(n) bereichert.
Tiergärtnerisches Versagen kann Blaszkiewitz nicht nachgewiesen werden, es sei denn, man bewertet seine hartnäckige Weigerung als solches, die Berliner Zoos in jene Richtung zu entwickeln, die etwa in Hannover oder Leipzig eingeschlagen wurde. Dort kann der Besucher durch künstliche Landschaften und Ökosysteme wandeln oder per Boot gleiten.
"Gondwanaland" heißt der riesige Tropendschungel in Leipzig, und nicht umsonst liegt diese Wortschöpfung ganz nah bei Disney- und Fantasialand. Weniger Tiere und Arten, mehr Umwelt heißt die Devise und dazu eine Menge Spaß und Event. Man muss den Zoobesucher schließlich dort abholen, wo er herkommt. Aber auch ein Zoologischer Garten, der als Simulation einer Fotosafari inszeniert ist, bleibt ein Tiergehege. An dieser Grundtatsache findet Bernhard Blaszkiewitz nichts Anstößiges. Er übt seinen Beruf ohne schlechtes Gewissen aus. Vielleicht ist deshalb um ihn herum immer nur Geschrei.