ZitatWie die Höhle der Flusspferde nachts aussieht[/size] Montag, 24. August 2009 13:16 - Von Tanja Laninger
Der Berliner Zoo ist mehr als Knut und der Berliner Zoo schläft auch nachts nicht. Wer das einmal erleben möchte, sollte sich einem anvertrauen, der wirklich etwas davon versteht: Dietmar Jarofke ist in Sachen Zoo ein wandelndes Lexikon, und er führt Besucher nachts durch die Gehege.
Liebespaare und hartnäckige Knut-Fans – so manche Besucher bleiben nach Torschluss noch im Zoo. Manche kuscheln auf der Freilichtbühne, andere verstecken sich im Gebüsch. Aber da im Zoo nicht nur Tausende von Tieren leben, sondern auch rund 30 Familien – die der leitenden Angestellten –, werden die Ortsfremden regelmäßig entdeckt und zum Ausgang an der Budapester Straße geführt. Genau dort beginnt das legale abendliche Zoo-Vergnügen mit Dietmar Jarofke. Jarofke ist pensionierter Tierarzt und der einzige Externe, der in der Abenddämmerung durch den Zoo führen darf.
„Ich überziehe“, warnt er seine rund 20 Teilnehmer. Diesmal ist es ein Gruppe Telekom-Mitarbeiter plus Anhang. 90 Minuten haben sie gebucht, es werden zwei, drei Stunden. Der 71-jährige Jarofke ist ein wandelndes Lexikon, er feuert eine Anekdote nach der anderen ab und spricht so schnell, dass man schon beim Zuhören in Schnappatmung übergeht. Er redet gegen die Zeit, hat etliches erlebt in den 30 Jahren, die er im Zoo Berlin als Tierarzt und Zoologe beschäftigt war. Im Sauseschritt führt er seine Gruppe zur Plastik von Gorilla Bobby am Menschenaffenhaus – dem ersten Gorilla, der in einem Zoo vom Jungtier zum Manne aufgewachsen ist. „Er hatte das Flächenbombardement Berlins im Zweiten Weltkrieg überlebt“, sagt Jarofke, und ist Wappentier des Zoos geworden.
Jarofke, gebürtiger Schöneberger, hat die Kriegszeit in Berlin erlebt und auch den Aufbau des Zoos durch Direktorin Katharina Heinroth. Er kam 1972 unter dem ehemaligen Direktor Heinz-Georg Klös in den Dienst. „Klös konnte jemanden im Laufen die Socken ausziehen, er hat alles rausgeholt, was für den Zoo rauszuholen war“, sagt Jarofke, als er an der Brücke zum Erweiterungsgelände im Tiergarten steht. Die Fläche hatte Klös dem Senat in den 80er-Jahren abgerungen. Dort leben heute Kängurus, Emus und Przewalski-Pferde wie in einem „Geo-Zoo“ nach Ländern geordnet. Jarofke eilt weiter, erzählt, dass auch er früher mit seiner Familie im Zoo gewohnt hat – in einer 65 Quadratmeter kleinen Wohnung. „Hat gereicht.“ Es gab viel Natur und ungewöhnliche Orte: Seine Kinder haben im alten Flusspferdhaus schwimmen gelernt. Das Haus existiert nicht mehr, dort steht nun das Pinguinhaus. Davor schwimmen die Seelöwen durchs Wasser, der Bulle brüllt die Besucher an. „Mich haben früher die Flusspferde verpetzt. Wenn ich mitten in der Nacht nach Hause kam, hat ihr Brüllen meine Frau aufgeweckt“, sagt Jarofke und schließt mit einem riesigen Schlüsselbund das Pinguinhaus auf. Das Dunkel schimmert bläulich, hinter beschlagenen Glasscheiben stehen die Königspinguine so steif auf dem Eis, als wären sie festgefroren. „Aber um Punkt 23 Uhr legen sie sich alle auf den Bauch und schlafen. Warum, das wissen wir nicht“, sagt Jarofke.
Er drängt seine Begleiter weiter in die Fasanerie zu einer „Überraschung“, wie er sagt. Die ist 28 Jahre alt, heißt Otto und ist ein Kiwi, das Wappentier Neuseelands. „Den bekommt nie jemand zu sehen. Er lebt hinter den Kulissen, wird erst in der Dunkelheit aktiv.“ Jarofke läuft durch die langen Gänge, sucht und findet den kuscheligen Vogel in einer lang gestreckten Holzkiste und bringt ihn zurück in die Halle. Otto kann wie alle Kiwis sehr gut laufen, aber gar nicht fliegen. Jetzt steht er verschlafen vor der Gruppe – 19 Uhr ist ihm zu früh –, schaut wie verlegen auf seine kräftigen Füße und klopft mit seinem Schnabel auf den Boden. „Dort am Ende sitzen die Riechzellen“, sagt Jarofke. Damit kann der Kiwi beim Durchwühlen der Erde die Regenwürmer besser finden. Im Zoo gibt es nicht genug davon, Otto bekommt Rinderherzen klein geschnitten. Die meisten Gäste halten jetzt Abstand. Jarofke versichert, dass sie Otto ruhig streicheln dürfen.
Der Kiwi ist die leichtere Übung. Der Höhepunkt der Jarofke-Schau kommt im Standesamt. So nennt er das Flusspferdhaus, das man zum Heiraten mieten kann. Die Tierpfleger haben die Tür zum Innengehege aufgelassen. Jarofke verschwindet im Gebäude und kommt mit einer Tasche Brot zurück: Fütterung! Jeder darf den tonnenschweren Hyppos Ede, Kathi und Nicole Brotscheiben ins Maul schieben oder werfen und die klebrigen Brummer streicheln. Danach riechen die Hände säuerlich-frisch, der Hyppo-Schleim zieht Streifen. Jarofke wird sein Brot schwer los. Wer sich ans Gitter anlehnt, wird ermahnt. „Wenn die Tiere ihren Kopf ruckartig nach oben bewegen, schlitzen sie noch jemanden auf“, sagt Jarofke mit Blick auf die langen Hauer. In Afrika verursachen sie und nicht etwa Raubtiere die meisten für Menschen tödlichen Zwischenfälle. Zu denen kommt es bei Jarofke aber nicht.
Nächste Führung: Sonnabend, 29. August, 18 Uhr. Karten kosten 18 Euro. Zusatztermine gibt es nach Absprache unter 033 03 21 47 98 oder unter http://www.jarofke.de
#3 von
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(
gelöscht
)
, 24.08.2009 20:45
@ Viktor
Danke für den Link ! Ich kann es nur bestätigen - es sind tolle Führungen mit Dr. Jarofke. Sowohl sein Wissen als auch seine Anekdoten machen die Führung wirklich erlebnisreich. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß man abends durch den Zoo schlendern darf, in die Tierhäuser darf - es ist schon ein tolles Erlebnis Ich kann die Führungen wirklich nur jedem empfehlen ! Auf Wunsch gibt es "Privatführungen" mit kleinerer Teilnehmerzahl