Such mich! Auf Safari in Spanien
9. November 2016, 18:57 Uhr / Von Johanna Pfund
Zitat
Nein, das ist nicht Afrika: Auch nahe des nordspanischen Dorfes Cabárceno kann man Elefanten, Giraffen und Nashörner beobachten. Für ganz Mutige gibt es sogar Seilbahn-Gondeln mit durchsichtigem Boden.
Sechs Kilometer Seilbahn haben die Techniker über die weitläufigen Gehege gezogen. Die Gondeln sind langsam unterwegs - damit man gut beobachten kann. (Foto: Leitner Ropeways)
Christina konzentriert sich auf das Wesentliche. Mit der Gleichmäßigkeit eines Roboters greift der Elefant mit seinem Rüssel durch die Absperrung, um sich einen Apfel nach dem anderen zu holen. Vor neun Jahren wurde Christina im Wildpark Cabárceno in der nordspanischen Region Kantabrien geboren, eine wie sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen - nicht von den Menschen am Rande des Geheges, nicht von der neuen Seilbahn. Cabárceno ist kein gewöhnlicher Tierpark.
Zerklüftete Hänge, ein Labyrinth aus Felsennadeln - einst wurde hier Erz abgebaut
Vor 30 Jahren noch war das Gelände ein großes Tagebaugebiet. Seit Römerzeiten wurde hier, in der Nähe der Küstenstadt Santander, Eisenerz abgebaut. Die Erde ist rötlich gefärbt, die Hänge sind zerklüftet. In manchen Teilen des Parks steht ein Labyrinth aus Felsnadeln. In den Achtzigerjahren begann der Abstieg: Wie vielerorts in Europa lohnte sich auch in Nordspanien der Abbau nicht mehr, lange war unklar, wie es mit dem Gebiet weitergehen sollte. Man dachte an eine Müllkippe, bis der damalige Präsident der autonomen Region Kantabrien, Juan Hormaechea, einen anderen Vorschlag machte. "Hormaechea war sehr speziell", so drückt es heute Javier Carrión, Chef der kantabrischen Tourismusorganisation Cantur, elegant aus. "Er liebte Safaris in Afrika, und er flog gerne mit dem Hubschrauber." Beides kam zusammen: Bei einem Hubschrauberflug über das Tagebaugebiet soll Hormaechea die Idee gekommen sein, aus dem Gelände eine Art Safaripark zu machen, in dem gefährdete Tierarten viel Raum erhalten sollten. Er setzte sich durch. Umgerechnet 30 Millionen Euro kostete der Park, der heute von Cantur betrieben wird. Mag der einstige Präsident, der mehrmals wegen Veruntreuung von Staatsgeld vor Gericht stand, auch noch so umstritten sein - seine Idee erschließt sich einem bei einer Reise durch den nunmehr 25 Jahre alten "Naturpark", wie Cabárceno sich nennt.
Allein die Größe unterscheidet Cabárceno von einem üblichen Zoo. Auf dem 750 Hektar großen Areal, das Besucher zu Fuß, mit dem Auto oder seit Neuestem via Seilbahn erkunden können, lebt eine Vielzahl von Arten. Sehen kann man hier Nashörner, Flusspferde, Gorillas, Tiger, Raubvögel, Bären. Insgesamt an die 1000 Tiere. Ziel sei, sagt Direktor Miguel Otí, ihnen möglichst naturnahe Lebensbedingungen zu bieten und vom Aussterben gefährdete Arten zu schützen. Über die artgerechte Haltung wacht der europäische Zooverband EAZA. "Wir werden ständig kontrolliert", sagt Otí. Offenbar machen die Kantabrier vieles richtig. "Was den Erhalt gefährdeter Tierarten anbelangt, ist die Entwicklung des Parks gut", sagt der Tierarzt des Parkes, Santiago Borragan Santos, ein Experte für exotische Tierarten.
Nilpferde liegen in einem riesigen Gehege herum, Breitmaulnashörner vermehren sich gut. Die afrikanischen Elefanten haben 25 Hektar zur Verfügung, das entspricht in etwa der Fläche des Zoos von Madrid. Das Klima in der regenreichen Region, die bezeichnenderweise "das grüne Spanien" genannt wird, kommt den Tieren entgegen. "Das Wetter ist angenehm mild", sagt Santos. "Wenn es kalt ist, bekommen die Tiere mehr Futter." Nur die Ställe für die Nacht sind relativ klein. Mehr Platz sei aber auch nicht nötig, sagt der Tierarzt. "Die meisten Tiere verbringen zwölf bis 14 Stunden im Freien."
Allerdings weiß er auch, wie heftig die Kritik an dem Projekt anfangs war. Nicht weit vom Elefantengehege grenzt das Gelände an das Dorf Cabárceno, das dem Park den Namen gab. Im Dorf sei der Plan damals sehr umstritten gewesen, erzählt der Tierarzt, der auf demselben Gelände arbeitet wie sein Vater - nur war der damals Minenarbeiter. "Die Leute konnten sich nicht vorstellen, dass ein Park der Region etwas bringt, dass sich diese riesige Investition tragen würde. Viele hielten es für verrückt, ausgerechnet hier einen afrikanischen Safaripark einzurichten."
Von oben eröffnen sich völlig neue Perspektiven
Ungewöhnlich ist auch das neuste Projekt, die Seilbahn. Ihre Entstehungsgeschichte ist kompliziert. Vor 15 Jahren schon diskutierte man erste Pläne. Mal sollte die Bahn über den Park führen, mal auf den nächsten Gipfel hinauf, von dem aus man das Gebirge Picos de Europa ebenso sehen kann wie Santander, die Stadt am Meer. Am Ende baute man zwei aneinander angeschlossene Linien: Eine verläuft in Form eines Dreiecks in nur einer Richtung über den Park, in der zweiten kann man wie in einer normalen Bergbahn aufwärts sowie abwärts fahren. Ein mexikanischer Privatmann kantabrischer Herkunft finanzierte das Projekt. Umgesetzt hat es die Firma Leitner Ropeways aus Südtirol, ein renommierter Betrieb im Seilbahn-Bau.
Die fünf Kilometer lange Achter-Kabinenbahn, deren Nutzung im Eintritt inbegriffen ist, erinnert an ein Skigebiet in den Alpen: Sie überwindet immerhin 158 Höhenmeter, sie hat die gleiche effiziente Antriebstechnik, das gleiche Auskuppeln der Gondeln an den Stationen, das ein gemütliches Einsteigen ermöglicht; die gleiche Optik. Nur schwebt man eben über eine fast afrikanisch wirkende Landschaft hinweg, mit der Kamera in der Hand, und hält von oben Ausschau nach Löwen und Bären - dank der reduzierten Geschwindigkeit der Bahn, die mit 2,5 Metern pro Sekunde fährt. Das Doppelte wäre möglich.
Bären wie aus der Hubschrauberperspektive. Wer mutig ist, kann eine der wenigen Gondeln mit durchsichtigem Boden nutzen. (Foto: Leitner Ropeways)
Auf diese Weise eröffnen sich völlig neue Perspektiven. Eine Landkarte breitet sich unter den Passagieren aus, all die Wege, die Löwen, Kamele oder Bären durch das Felsnadel-Labyrinth trampeln, sind sichtbar. Und der ein oder andere Bär lässt sich aus der Seilbahn heraus doch besser beobachten als vom Zaun aus.
Für die Ingenieure waren andere Dinge spannend. Der Bau der im Dreieck verlaufenden Bahn sei eine "technische Herausforderung" gewesen, erzählt der technische Direktor von Leitner Ropeways, Santiago Cabredo. Zudem kann man in einem Tierpark nicht arbeiten wie in einem Skigebiet. Es wäre nicht so günstig, wenn Tiere und Arbeiter aufeinanderträfen.
Eine Seilbahn zu bauen, während Tiere im Gehege sind: Das erfordert Umsicht
Aber man habe Lösungen gefunden, sagt Josetxu Barrios, während des Baus Montageleiter und nun Betriebsleiter der Bahn. Die Elefanten beispielsweise hielt man morgens länger im Stall, so konnten die Arbeiter drei, vier Stunden an den Stützen arbeiten. Danach mussten sie das Gehege wieder verlassen. Um die Tiere möglichst wenig zu belästigen, nutzte Barrios eine Drohne; sie zog beim Bau das Seil, an dem die Gondeln hängen, über das Bärenareal. Das gelang auch, doch auf dem Rückweg stürzte die Drohne ab. Bis heute ist sie verschollen - wer sucht schon gerne in einem Gehege, in dem an die 80 Bären leben.
Wenn es nach dem Direktor des Parks geht, ist mit der Seilbahn die Entwicklung des Parks nicht abgeschlossen. "Wir wollen immer besser werden", sagt Miguel Otí. Fußwege entwickeln, an der Tierhaltung arbeiten, mit den Tieren arbeiten, Schulklassen ein Stück Verständnis für die Umwelt mitgeben - all das soll ausgebaut werden. Denn auch wenn Cabárceno ein behütender Ort ist - die Tiere sind auch dort nicht geschützt vor Gefahren, die von Menschen ausgehen. "Das Gefährlichste für unsere Tiere ist das Plastik, das Leute wegwerfen und das auch vom Wind in den Park getragen wird", sagt Tierarzt Santiago Borragan Santos. Fressen sie es, können die Tiere daran sterben. Es wäre schade um Christina, um Nashörner und Bären.Zitat
Reiseinformationen
Anreise: Flüge von München nach Bilbao und zurück mit Lufthansa ab 139 Euro, www.lufthansa.com. Von Bilbao im Mietwagen ca. eine Stunde bis Santander.
Unterkunft: Hotel Hoyuela, Santander, DZ ab 120 Euro ohne Frühstück, Telefon: 0034/902 57 06 27, www.hotelhoyuela.es
Weitere Auskünfte: Der Tierpark Cabárceno hat täglich geöffnet. Geschlossen ist nur am 24., 25. und 31. Dezember und am 1. Januar.
Der Eintritt kostet ab 23 Euro für Erwachsene, ab 14 Euro für Kinder
www.cantur.com, www.parquedecabarceno.com
Quelle vom Bericht:
http://www.sueddeutsche.de/reise/spanien...ich-1.3238570-2
Was für ein lesenswerter und informativer Artikel über einen wirklich interessanten Wildpark, mit einem noch interessanteren Konzept.