Heute wollte ich ja etwas über einen Vortrag über Braunbären erzählen, den ich mir gestern angehört habe.
Nachdem ich gestern Abend meine Vierbeiner versorgt und mir schnell eine Scheibe Brot einverleibt hatte, machte ich mich bei Sturm und Regen auf den Weg in die Naturparkverwaltung. Dort sollte der Diplombiologe Patrick Boncourt, der bei der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ arbeitet, einen Vortrag halten. Der (gewollt) provokative Titel lautete „ Der Braunbär – eine intelligente Bestie“.
Begonnen hat der Abend recht abenteuerlich. Zuerst bin ich an der Abfahrt zur Naturparkverwaltung vorbeigefahren – aber nicht weil ich zu blöd zum Gucken war. Nein, es lag alles im Dunkeln und bei den Witterungsverhältnissen war die Parkplatzeinfahrt so gut wie nicht zu erkennen. Als ich sie entdeckte, war es zu spät zum Abbiegen. Also fuhr ich weiter, wendete an der nächstmöglichen Stelle das Auto und fuhr zurück. Glück im Unglück – ich habe immer eine Taschenlampe dabei. So konnte ich wenigstens den Weg zum Eingang finden und dort blinzelte mir dann auch eine Lampe entgegen. Das Haus war sehr romantisch mit Teelichten beleuchtet. Sie wiesen den Weg in den Veranstaltungsraum.
So hörte ich also gestern auf Grund eines Stromausfalls meinen ersten Vortrag im Kerzenschein. Wir rückten dicht an das Notebook des Biologen und erlebten alle gemeinsam einen sehr einzigartigen Abend .
Vieles von dem, was der Biologe erzählte, wusste ich bereits. Einiges war mir neu. Es ging um Braunbären und ihre Intelligenz, den Bärenwald, den Klimawandel, auch um Eisbären, Bruno und andere Problembären ….
Ich habe mich im Anschluss an die Diskussion noch eine ganze Weile mit dem Biologen unterhalten. Nicht alles davon möchte ich hier einstellen. Dafür ist mir das "www" einfach zu öffentlich. Aber viele möchte ich euch gern erzählen.
Aber der Reihe nach:
Der Biologe Patrick Boncourt ist für das Wohlergehen von 43 Bären aus schlechter Haltung verantwortlich. Diese Bären leben in 3 Bärenwäldern. Einer liegt bei mir um die Ecke, einer befindet sich in Bulgarien (ehemalige Tanzbären) und einer in Österreich.
Die Organisation Vier Pfoten hat schon viele Erfolge erreicht. Ihr Ziel ist nicht nur die Rettung der Bären. Genauso wichtig ist die Aufklärung der Bevölkerung, denn nur so kann die Arbeit nachhaltig sein.
Er sagte anfangs einiges zum Bärenwald Müritz. Dort leben zur Zeit 10 Bären und damit ist kein Platz mehr für weiter Tiere. Die Fläche des Bärenwaldes beträgt 7,8 ha und es gibt dort 3 Gehege und ein Eingewöhnungsgehege.
Es steht fest, dass in 2010 eine Erweiterung vorgenommen wird. Auf weiteren 8 ha werden 4 großzügige Gehege für weitere Bären eingerichtet. Außerdem gibt es einen weiteren Ausstellungsbereich. Die Warteliste für die Bärenwälder ist übrigens lang!
Die Pfleger im Bärenwald verwenden viel Zeit darauf, sich Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bären auszudenken und zu bauen. Angebotenes Spielzeug wird schnell langweilig. Daher braucht es immer neue Ideen. Die Pfleger haben sich wirklich großartige Dinge, vor allem aus Naturmaterial ausgedacht.
Vier Pfoten hätte gern auch den Berliner Stadtbären geholfen. Aber die Berliner beharren leider auf ihre Tradition und gönnen den beiden Bären einen schönen Lebensabend nicht. Auch die liebevollste Pflege kann den Tieren nicht der Mangel an Platz und artgerechtem Leben ersetzen.
Dann erzählte er einiges über den Bären.
Der europäische Bär gehört nicht zu den größten Vertretern seiner Art. Er erreicht maximal ein Gewicht von 300 – 400 kg (inclusive Winterspeck)
Seine täglichen Schlafens- und Wachzeiten halten sich etwa die Waage. Etwa 50 % des Tages ist er wach und verbringt 90 % dieser Zeit mit der Futtersuche. 30 % seines Futters besteht aus Fleisch und Fisch, der Rest ist vegetarisch.
Ein Bärenrevier ist 100 – 1.000 km groß.
Er riecht sehr viel besser, als ein Hund. So kann er auf 19 km einen Elchkadaver riechen.
Man hat festgestellt, dass Bären manchmal viel Gras fressen und das unter anderem als natürliche Plomben für ihre Zähne verwenden. Das wusste ich nicht. Auch nach einer Narkose weiden Bären regelrecht, um mit den Nachwirkungen der Narkose fertig zu werden.
Nach der Winterruhe verspeist ein Bär etwa 2 – 3 kg Futter. Auch in der Paarungszeit frisst er wenig. Erst danach steigt seine tägliche Ration auf 10 – 12 kg und im Herbst haut er sich mit 20 – 23 kg so richtig den Bauch voll. Dann nimmt er etwa 20.000 kcal auf - täglich!
Übrigens hängt bei Bärinnen die Anzahl der Jungen direkt von der Menge des Winterspecks ab, den sie sich anfuttert. Je mehr Speck, desto mehr Nachwuchs. Nach der Paarung und während der Feistzeit befinden sich die befruchteten Eizellen in Keimruhe. Erst im Spätherbst nisten sie sich in der Gebärmutter ein. Die Menge der sich einnistenden Zellen hängt vom Ernährungszustand der Bärin ab. Nach einer Tragzeit von nur 2 Monaten bringt die Bärin ihre 200 – 300 g schweren Jungen zur Welt.
Zur Zeit geht man von 16 Unterarten des Bären aus.
Weltweit leben noch etwa 200.000 Braunbären, die Hälfte davon in Rußland, wo sie leider nicht geschützt werden. In Skandinavien gibt es noch 1.000 – 2.000 Tiere, die meisten leben heute in Schweden.
Ein Bär kann ziemlich schnell laufen. Er erreicht bis zu 60 km/h. Wenn man einen Bären trifft, ist Weglaufen also eine ausgesprochen blöde Idee. Einen Bären, der die Scheu vor den Menschen nicht verloren hat, vertreibt man am sichersten, indem man auf ihn zugeht und ihn mit plötzlichen Armbewegungen erschreckt. Da 99 % der Angriffe von Bären Scheinangriffe sind, dreht er im Normalfall ab. Gefährlich wird es, wenn man einen Hund dabei hat. Dann greift der Bär sehr oft den Hund an. Wer also mal in einem Bärengebiet unterwegs ist und das ist gar nicht so abwegig, sollte seinen Hund zu Hause lassen!
In Mecklenburg gibt es seit 1750 keine Braunbären mehr, in Bayern seit 1835. Der Unterschied ist, dass der Bär eine klitzekleine Chance hat, in Bayern wieder heimisch zu werden, in Mecklenburg ist das ausgeschlossen.
Als Gründe für den Rückgang der Population nannte der Biologe:
die Ausbreitung des Menschen
Massenrodungen
die Zerschneidung des Lebensraumes der Tiere durch Straßen
die Bejagung des Bären als Lebensraumkonkurrenten
die Bejagung als Beutetier (Tatzen und Medikamentenlieferant)
die Jagd als Freizeitsport
da Einfangen als Haustier und Unterhaltungskünstler (dafür braucht man Bärenkinder, die dazugehörige Mutter wird erschossen)
Wusstet ihr, dass man Tanzbären zu Alkoholikern macht, damit sie ihr schreckliches Los willenlos hinnehmen??
Der Alkoholentzug der befreiten Tanzbären fordert den Tieren und Pflegern das Ertragen schrecklicher Tage und Wochen ab.
Viele befreite Zirkusbären werden blind, da sie zu ihren Kunststücken mit Zucker- oder Gummibärchengaben animiert werden. Auch das Verfüttern von Weißbrot in Mengen hat verheerende Auswirkungen auf die Bärengesundheit.
Die befreiten Bären kommen meist in einem erbärmlichen körperlichen Zustand bei Vier Pfoten an und nicht immer können sie geheilt werden.
Aus Slowenien, wo es noch frei lebende Bären gibt, wandern diese Tiere nach Kernten ein. Leider müssen sie dafür eine stark befahrene Autobahn queren. Das schaffen oft nur die Männchen. In Kernten leben 10 bis 18 Tiere – alles Jungs. Der WWW versucht nun, mehr Weibchen in den Alpenraum zu bringen, damit sich dort eine kleine Population entwickeln kann.
In Italien gibt es das Life Ursus Projekt.
Innerhalb dieses Projektes wurden 10 Bären aus Slowenien nach Italien gebracht. Da die Bevölkerung sehr viel Verständnis für die Bären aufbringt und ein gutes System der Schadensregulierung vorhanden ist, konnten aus den 10 Bären unterdessen etwa 30 Tiere werden.
Ursache für die heutigen Probleme mit Bären sind Straßen, Menschen, unbewachte Herden, Müll und das Anfüttern.
Normalerweise weicht ein Bär dem Menschen aus und geht nicht auf Konfrontation. Leider sorgen wir Menschen dafür, dass der Bär die Scheu vor uns verliert. Überall liegt Müll herum, der viel Freßbares beinhaltet. Das liegt auf Deponien, an Straßenrändern, auf Müllplätzen … Für Bären ist das leicht gefundenes Futter. Dabei riecht alles auch noch nach Mensch. Die Bären suchen solche Plätze immer wieder auf. Nicht besonders intelligente Touristen locken die Bären auch noch mit Futter, um ein spektakuläres Foto zu machen.
Auch die Anbieter geführter Reisen zu Bären bekleckern sich hier nicht mit Ruhm. Auch wenn sie es abstreiten, so füttern sie doch die Tiere an. Der Tourist will für sein Geld ja schließlich auch einen Bären sehen. Die Bären verlieren so immer mehr ihre natürliche Scheu vor uns Menschen und irgendwann treiben sie sich auf der Nahrungssuche in der Nähe der menschlichen Siedlungen herum. Dann brechen sie in unbewachte Herden ein, besuchen Ställe und Vorratsräume. Haben sie das gelernt, dann ist es kaum möglich, ihr Verhalten wieder zu ändern.
Will man sie einfangen und umsiedeln, beweisen sie ihre Intelligenz. Bären bekommen sehr schnell mit, wer sie fangen will. Sie können sogar Autos am Geräusch erkennen. Es ist sowieso keine Lösung, all diese Bären zu fangen. So lange die Menschen so unvernünftig sind und ihre Müllberge weiter wachsen lassen, werden für jeden gefangenen Bären andere auftauchen. Die Zahl der unterzubringenden Bären würde die Möglichkeiten der Tierschutzorganisationen sehr schnell übersteigen und die Ursache der Probleme bleibt trotzdem bestehen. Umgesiedelte Bären würde an ihrem neuen Lebensort auch wieder die Nähe der Menschen suchen oder in ihr altes Revier zurückkehren.
Die Bären werden übrigens je nach Verhalten in Stufen eingeteilt. Leider habe ich die Begriffe nicht behalten. Ich glaube es begann mit dem Müllbären (?). Ich weiß aber noch, dass ein Problembär zum Schadbären und damit zum Risikobären werden kann. Dann wird er leider erschossen.
Es gibt nicht viele Möglichkeiten, solchen Bären zu helfen. Man kann sie einfangen und umsiedeln, was oft nicht dauerhaft funktioniert. Man kann sie einfangen und einsperren. Die vorhandenen Plätze in Bärenwäldern sind viel zu schnell belegt. Außerdem wird ein Bär, der in Freiheit gelebt hat, in Gefangenschaft immer leiden.
Ja und dann bleibt leider noch der Abschuß.
Der Biologe erzählte in diesem Zusammenhang auch von Bruno.
Brunos Mutter heißt Jurka. Um sie einzufangen, hat man sie an einen Luderplatz gelockt. Das war nach Aussage des Biologen ein gravierender Fehler. Damals wusste man das leider noch nicht. Die Bärin wusste ganz genau, dass in der Nähe von Menschen leichte Beute zu machen war. Sie war so intelligent, dass sie nie an einen „Tatort“ zurückgekommen ist. Dieses Verhalten hat sie ihren Jungen beigebracht und alle haben die Nähe von menschlichen Siedlungen gesucht und sich nicht erwischen lassen. Sie hatte 5 Junge. Neben Bruno mussten glaube ich, noch 2 weitere Nachkommen von ihr erschossen werden. Die beiden übrigen Bären konnte man umkonditionieren. Jurka wurde übrigens eingefangen und lebt jetzt in einem Bärenwald. So will man verhindern, dass weiterer Nachwuchs getötet werden muss.
Bevor der Bruno erschossen wurde, hat sich Vier Pfoten für ihn eingesetzt und wollte ihn in einem Bärenwald unterbringen. Heute schätzt man ein, dass dieser Vorschlag nicht gut durchdacht und der Tod des Bären unausweichlich war. Er hatte die Scheu vor den Menschen verloren und wurde dadurch gefährlich für ihn. Vier Pfoten hat den Tod des Tieres außerordentlich bedauert und bedauert genauso den gewaltsamen Tod jedes anderen Bären.
Was Herr Boncourt über Eisbären, Klimawandel und Schaufütterungen erzählt hat, dass schreibe ich morgen auf. Das ist auch nicht ganz so viel, denn das Thema war ja der Braunbär.
So -ich glaube, für heute habe ich mir ein Fleißbienchen verdient .
GiselaH