WO KOMMT DAS CHRISTKIND HER?
Es ist der 24. Dezember, Weihnachtstag. Kurz nach dem Mittagessen.
Oma liest Lina aus einem Weihnachtsbuch vor. Gemeinsam warten sie auf das Christkind, besonders Lina, denn Lina ist drei einviertel Jahre alt.
„Es kommt aus dem Walde,
das Mützchen voll Schnee,
die steif gefrorenen Hände
taten ihm weh...“
„Geh Oma“, meint da Lina „das Christkind kommt nie im Leben aus dem Walde.“
„Und warum nicht, Lina?“
„Der Wald ist doch ganz, ganz weit weg. Ich wohne doch mitten in der Stadt.
Da tät das Christkind nie bis zu mir kommen. Nie nicht –
Und die Geschenke, die hätte es dann sicher auch schon verloren!“
„Aber Lina, das ist ein Gedicht, das ist nicht Wort für Wort gemeint...“
„Und warum steht dann im Gedicht, dass es aus dem Wald kommt? Blödes Gedicht.“
„Du Oma“, fragt Lina ein wenig später, „wo kommt denn das Christkind wirklich her? Aus dem Wald tut es ganz sicher nicht kommen.“
„Das Christkind, das .....“ beginnt Oma.
„Das kommt aus der Steckdose“, platzt Lina heraus.
„Aus der Steckdose? Geh Lina!“
„Das Christkind kommt aus der Steckdose, bestimmt! Das Licht auf dem Weihnachtsbaum, das kommt doch auch aus der Steckdose. Ich hab gesehen, wie es Papa gestern gemacht hat.“ Und schon läuft Lina los, und will die Türe aufreißen.
Geschwind hält sie Oma zurück.
„Aus der Steckdose kommt nur der Strom für die Kerzen am Baum“, Oma erklärt es Lina geduldig
„Oma, vielleicht kommt aber das Christkind aus dem Fernseher. Schau mal“,
Lina holt sich die Fernbedienung. „Da mach ich zack und zack und sieh mal, was da alles aus dem Fernseher kommt!“
„Lina, da kann aber kein Christkind heraus kommen oder dir ein Päckchen mit einer Puppe drin reichen.“
Lina schaut hinter den Fernseher, betastet ihn von oben bis unten. Da ist kein Loch, wo all die schönen Sachen herauskommen könnten, höchstens so schmale Schlitze mit warmer Luft.
Da hat Oma eine gute Idee, damit die Zeit schneller vergeht. Sie zieht Lina die dicken Wintersachen an und beide machen einen Spaziergang durch die festlich geschmückten Straßen. In der Dunkelheit ist die weihnachtliche Beleuchtung besonders schön.
„Oma, wenn das Christkind nicht aus dem Wald kommt und nicht aus der Steckdose und auch nicht aus dem Fernseher, wo kommt das Christkind denn dann her?“
Lina haucht kleine dicke Wolken in die kalte Winterluft. Sie ist schon sehr verzagt.
Was ist, wenn das Christkind den Weg zu ihr nicht findet?
„Das Christkind ...“, beginnt Oma, sie öffnet die Haustüre, „das kommt...“
„Oma, jetzt weiß ich es.“ Lina schmeißt ihre Jacke einfach hin und läuft los.
„Das Christkind kommt aus dem Internetz! Ich habe es, ich hab es!“
Lina sitzt bereits in dem kleinen Büro, das sich Papa eingerichtet hat.
„Der Papa, der holt sich ganz viele Sachen aus dem Internetz, ich zeig es dir mal.
Da, siehst du, der kleine Fernseher, da drückt man einen Knopf...Siehst du Oma? Jetzt warten wir nur noch bis das Christkind herauskommt.“
Und Lina wartet. Kein Christkind kommt heraus.
„Vielleicht muss man da aber noch ein paar Tasten drücken, der Papa macht es so“, und Lina drückt und drückt und drückt.
„...damit das Christkind weiß, wo es hin muss!“
Der Bildschirm wird dunkel, wieder hell, geheimnisvolle Zeichen scheinen auf, dann rührt sich gar nichts mehr.
Da hilft kein Drücken, kein Warten. Der Bildschirm ist wie eingefroren.
Lina stehen die Tränen in den Augen.
„Lina, nicht traurig sein“, Oma nimmt Lina bei der Hand, „komm wir gehen jetzt in dein Zimmer. Da zünden wir eine kleine Kerze an. Dann schauen wir in die beginnende Nacht.“
„Und dann?“ Lina schnieft ein bisschen.
„Dann, wenn wir ganz leise sind und ganz still sitzen, dann kommt bestimmt das Christkind.
So sitzen beide nun auf Linas Bett und schauen hinaus in die Winternacht.
„Oma, bist du sicher es findet zu mir?“
„Ganz sicher!“
Und es wird immer stiller und dunkler und feierlicher.
„Oma“, wispert Lina, und die kleine Kerze flackert, „du Oma, das ist aber schön so.“
Da blitzt auf einmal ein kleiner heller Stern am Abendhimmel auf.
Lina hat ihn ganz genau gesehen, er leuchtet hell und sanft.
„Oma? Oma, hast du das gerade gesehen“, - Lina wispert noch immer.
„Den hellen Schein da am Himmel? Das war sicher das Christkind.“
Da läutet es auch schon. ....klingling
Eine zarte Weihnachtsglocke ertönt aus dem unteren großen Zimmer, da wo der Christbaum steht.
Beim Hinuntergehen findet Lina ein winziges Goldsternchen auf der Treppe.
„Ein Goldsternchen! Das hat gewiss das Christkind verloren.
Ich hab es ganz genau gesehen, es ist vorhin ganz schnell aus dem Fenster gehuscht!“
Lina strahlt Oma an.
„Jetzt weiß ich auch, wo es herkommt, von da oben kommt es her“ und Lina deutet hinauf zum Sternenhimmel.
„Vom Himmel hoch, da komm ich her…“, klingt es aus dem großen
Zimmer und da steht strahlend erleuchtet der Weihnachtsbaum mit vielen, vielen Päckchen darunter.
Alle singen gemeinsam, Oma und Lina und Mama und Papa, da blitzt es noch einmal, ganz hell, draußen am Himmel. Ein allerletzter Gruß vom Christkind.