Langweilig ist es in Orsa nun wirklich nicht, man wacht morgens auf und wieder ist ein total anderes Wetter. Auf das Wetter unseres dritten Schwedentages hätte man allerdings gut und gerne verzichten können. Es war alles grau in grau und ziemlich diesig, als wir den Berg hinauf fuhren und dann begann es auch noch zu regnen. Doch wir waren auf dem Weg zu Ewa und Wilbär und da machte uns auch der eiskalte Schneeregen nichts aus.
Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut Pernilla Thalin, die Managerin des Orsa Björnparks wiederzusehen. Sie ist schließlich schuld daran, dass ich unbedingt im Winter nach Orsa wollte. Sie hatte mit einer solchen Begeisterung von dem Schneeberg, den sie im Winter mit Hilfe der Schneekanone im Gehege aufschütten wollte, erzählt, dass ich unbedingt sehen wollte, ob das so funktioniert hat, wie sie es sich vorgestellt hat. Er sollte eine Bärenrutschbahn auf den zugefrorenen See bilden. Und natürlich ist es auch genauso gelungen, wie sie es mir im Sommer aufgezeichnet hatte. Irgendwie scheint in Orsa alles zu einem erfolgreichen Ergebnis gebracht zu werden. Leider war Pernilla genau in der Zeit, in der wir in Orsa waren, in Stockholm, sie hatte mir allerdings in einer Email geschrieben, sie habe ihren Mitarbeitern gesagt, dass sie sich um uns kümmern sollten, wenn wir Fragen hätten. Scheinbar hatte sie auch den Eisbären erklärt, dass sie sich besondere Mühe geben sollten, weil zwei ein bisschen verrückte Besucherinnen aus Deutschland kämen, nur um sie zu sehen.
So kam es, dass wir eine Verabredung mit Anette hatten, einer der Tierpflegerinnen des Björnparks. Wir gingen also zum Ausstellungsgebäude, wo wir sie treffen sollten. Wir mussten noch einige Zeit warten, bis sie für uns Zeit hatte, denn sie musste sich zuerst noch um die Bären kümmern. Es war schon einiges los im Bärenpark. Verschiedene Besuchergruppen machten eine Führung durch den Tierpark. Die hätten wir auch gerne gemacht, aber leider wurde sie im Winter nur in Schwedisch angeboten.
Aber wir hatten ja das Treffen mit Anette, die kam bald und wir konnten unsere Fragen los werden. Wir erkundigten uns nach dem Fell der beiden Bären und erfuhren, dass man genau wie in den anderen Zoos, auch in Orsa nicht genau weiß, warum die Bären ihre Haare verloren haben. Aber die Medikamente haben geholfen und Anette versicherte uns, dass die Beiden trotz des dünnen Fells nicht frieren würden. Dann erzählte uns die Tierpflegerin, dass sie mit Ewa und Wilbär ein Target Training mit einem bunten kleinen Ball und einem Klicker durchführt. So kann sie die Eisbären von dem einen Gehege in das andere leiten, wenn z. B. in einem der beiden Gehege Futter verteilt werden soll. Ewa und Wilbär lernen schnell und lassen sich auch schon in den Mund gucken und zeigen ihre Tatzen. Ziel ist es, dass medizinische Untersuchungen durchgeführt werden können, ohne die Bären zu betäuben. Wir waren ziemlich beeindruckt, wie wissenschaftlich hier in Orsa vorgegangen wird, da könnte sich mancher deutsche Zoo ein Beispiel daran nehmen.
Noch mehr aber beeindruckte uns die Freude mit der Anette uns von ihren Schützlingen erzählt. Wilbär und Ewa seien zwei sehr freundliche, sanfte Bären, die man mit der Hand füttern könne, sie nähmen dann das Futter ganz vorsichtig mit der Schnauze. Die beiden erhalten ihr Futter immer zusammen und fressen es friedlich nebeneinander. Während sie das erzählte, sahen wir zu, wie die beiden Eisbären am Zaun in einem der kleineren Absperrgehege standen und zuschauten, wie im Nachbargehege auf der anderen Seite des Weges Schnee aus einem Braunbärengehege geräumt wurde, das bald wieder von seinen Bewohnern bezogen werden soll. Wir konnten am Morgen auf dem Weg zur Polar World schon hören, wie ein Braunbär an der Tür klopfte, um deutlich zu machen, dass er genug geschlafen hatte. Ewa und Wilbär sind ziemlich neugierige Bären, die genau wissen wollen, was nebenan passiert.
Wir erfuhren, dass Wilbär und Ewa erst lernen mussten, ihre Nase zu gebrauchen, um Futter zu suchen. Zooeisbären bekommen ihr Futter meist mundgerecht serviert. Sie sehen ihr Futter und brauchen nicht zu riechen, wo es ist. In Orsa hat man das Futter auf der Eisbärenanlage versteckt. So mussten die Bären ihrer Nase folgen und so das Futter suchen. So hat man auch erreicht, dass die Bären die gesamte Anlage erkundet haben. Auch jetzt finden Ewa und Wilbär noch Fellreste und Knochen von dem Futter, das, bevor es geschneit hat, auf ihrer Anlage verteilt geworden war. Das kann auch schon einmal ein kompletter Tierkadaver sein. In Orsa sei ja genug Platz und man müsse das tote Wild nicht genau vor der Scheibe ablegen, damit kein zartbesaiteter Zoobesucher erschreckt werde, erzählte uns Anette augenzwinkernd.
Morgens und abends erhalten die beiden Eisbären ihr Futter nur in dem kleinen Absperrgehege vor den Innenställen und auch die Tierpfleger geben ihnen nur dort etwas zu fressen. So reagieren Wilbär und Ewa nicht darauf, wenn einer der Pfleger an einer anderen Stelle am Gehegezaun vorbeigeht. Sie haben gelernt, dass es hier kein Futter gibt.
Mittlerweile waren die Eisbären in das große Gehege herübergekommen, sie suchten sich aber nach einem kurzen Rundgang einen Schlafplatz am Zaun. Oben war der Tiger Mountain schon im Nebel verschwunden und langsam wälzte sich die Nebelwand den Berg hinunter. Während Liesel und ich darüber spekulierten, was die Bären wohl in der Nacht gemacht hatten, dass sie heute so müde waren, entschied sich Ewa zu einem Inspektionsrundgang über die Anlage. Sie verschwand bald im Nebel, tauchte aber nach kurzer Zeit wieder auf und rannte voller Lebensfreude durch den Nebel durch Schnee und übers Eis.
Jetzt wurde auch Wilbär wieder wach und erkundete mit Ewa den Schneeberg. Die Bären haben Höhlen und Tunnel in ihn hineingegraben. Die Bären verschwanden auf der einen Seite des Berges und tauchten auf der anderen wieder auf. Ewa ist immer noch daran, die Tunnel und Höhlen zu vergrößern. Sie scheint schon einmal für den Tag zu üben, wenn sie eine Geburtshöhle graben will. Die müssen aufpassen in Orsa, dass Ewa in ein paar Jahren in dem mit einer Kamera bestückten Stall ihren Nachwuchs zur Welt bringen wird und nicht in einer selbstgebuddelten Eishöhle im Schneeberg. Dann würden die Pläne des Björnparks über den Haufen geworfen. Denn das größere Gehege ist für Wilbär vorgesehen, während Ewa mit ihrem Nachwuchs in dem kleineren Gehege leben soll. Wobei groß und klein hier sehr relative Begriffe sind. Die kleine Anlage ist immer noch mehr als 10 mal so groß, wie die große Eisbärenanlage im Zoo Berlin.
Danach konnten wir „Polar Bears in the Mist“, Eisbären im Nebel, spielen sehen. Auch das hat seinen Reiz. Ewa und Wilbär war das Wetter egal und uns auch. Wir schauten ihnen beim Spiel zu und genossen jeden Augenblick. Sie wechselten von großen ins kleine Gehege, spielten am Wasserloch, das langsam immer größer wurde, und kämpften im Schnee.
Trotzdem hofften wir am Abend am Kamin, dass der nette Zoobesucher aus Malmö, der mit seiner Familie eine Woche Skiurlaub in Grönklitt machte, recht mit seiner Wettervorhersage für den nächsten Tag hatte. Er hatte uns erzählt, die Einheimischen hätten berichtet, dass es ein schöner Tag werden sollte. Uns blieben immerhin noch zwei Tage im Eisbärenparadies.
Mehr Bilder von Ewas Inspektionsgang und den Bärenkämpfen im Nebel