Ganterich Tutu hat Blasen an den Füßen[/size]
Sonntag, 19. Dezember 2010 02:49 - Von Tanja Laninger
Toulouse liegt etwa 1800 Kilometer entfernt von Berlin, in Frankreich. Die Strecke ist ein Klacks für Wildgänse. Die Zugvögel legen Langstrecken zurück, wenn sie von Sibirien in ihr Winterquartier nach Ostfriesland fliegen.
Tutu, der braun gefärbte Toulouser Ganterich aus dem Berliner Kinderzoo, unternimmt keine Reisen mehr. "1991 hatte ihn ein Privatmann bei uns abgegeben", sagt Obertierpfleger Peter Griesbach. Damals war der Ganterich etwa 15 Jahre alt. Inzwischen ist über 40 und hochbetagt. Tierpfleger Mario Barabasz zeigt auf Tutus hängende Flügel. "Muskulatur und Bindegewebe sind erschlafft." An den Füßen hat Tutu Blasen - er watschelt extremer, als man es von Gänsen kennt. Eis und Schnee sind kein Problem: Gänsefüße sind sehr stark durchblutet und deshalb so rot.
Gustav ist Single, lebt aber nicht alleine. Die Gruppe der weißen Hausgänse hat ihn unter ihre Fittiche genommen. Sie besteht aus drei schnatternden Damen, die sich regelmäßig in die Federn kriegen. "Doch Tutu lassen sie außen vor", sagt Barabasz. Das vierte weiße Gruppenmitglied lebt nicht mehr. "Der Fuchs hat ihn im Herbst gerissen - getötet also." Zum Schutz sperrt Barabasz seine Gänse nachts nun ein.
Kinder hat Tutu nie gehabt. Aber die weißen Hausgänse legen jährlich im April und Mai ihre Eier. Golden wie in der Fabel vom goldenen Gänseei seien sie leider nicht, sagt Barabasz. Zum Ausbrüten haben die Zoo-Gänse sowieso keine Ruhe, "wir haben zu viele Besucher", so Barabasz. Normalerweise weichen Gänse ihren Schützlingen nach dem Schlupf nicht von der Seite. Das ist wichtig, weil Gänse kein angeborenes Bild von ihrer Mutter haben, sondern erst lernen müssen, zu wem sie gehören. Der ehemalige Direktor des Berliner Zoos, Oskar Heinroth, hat 1911 festgestellt, dass ein Beobachter bei schlüpfenden Küken das Gefühl haben könne, dass die Küken ihn in der Absicht ansehen, sich sein Bild genau einzuprägen. Später hat der Verhaltensforscher Konrad Lorenz diese "Prägung" definiert und analysiert.
Dumm sind Gänse nicht. Im Flug bilden sie ein V am Himmel. Die im Windschatten Fliegenden sparen Energie und feuern ihre Vorhut mit Schreien an. Gänse merken sich Gesichter und begrüßen treue Kinderzoo-Fans mit einem tiefen "Onken" - jene Dauergäste, die sich selbst im Schnee zu ihnen setzen, den Popo auf eine Plastiktüte gebettet. Was macht der Mensch mit der Gans? Er benutzt sie als Wachhund. Wen eine Gans nicht kennt, den schnattert sie an. Der Lärm schlägt den Dieb in die Flucht. Ihr Federkleid ist beliebt als Füllung für Kissen und Decken - nur tut das Rupfen weh. Was der Mensch zu Weihnachten am meisten an ihr schätzt, ist: Fleisch. Aber im Zoo bleibt es an den Festtagen friedlich, keine Gans werde geschlachtet, schwört Barabasz.
[size=85]Quelle: Berliner Morgenpost