Ein Artikel aus der Berliner Morgenpost. Da er nicht richtig zu lesen ist, wenn man den Link hier eingibt, so kopiere ich ausnahmsweise denn ganzen Artikel:
Mir gefiel der wilde Knut
Die Nachricht erreichte mich beim Rugby. Während die Potsdamer Adler von der Mannschaft aus St. Pauli ordentlich vermöbelt wurden (übrigens zu Recht); während meine Kinder darüber stritten, welche Mannschaft wir denn nun anfeuerten (mein Ältester ist in Hamburg geboren, mein Jüngster in Potsdam) - war Knut gestorben.
Die Eilmeldungen tickerten auf mein Mobiltelefon, verdrängten die Luftschläge gegen Libyen, den drohenden Super-GAU in Japan.
Und nun auch den Ärger über das fruchtlose Gedränge auf dem Rasen. Keiner der Umstehenden wollte die Nachricht von Knuts Tod auf Anhieb glauben. Und dann redeten sie von nichts anderem. Knut kannte eben jeder.
Knut und ich hatten immer ein schwieriges Verhältnis. Als der tapsige Eisbär der Öffentlichkeit präsentiert wurde und dieses Knut-Gefühl um die Welt ging, fühlte ich mich außen vor. Gut, das war ein niedlicher, kleiner Bär, und die Geschichte von ihm und seinem Ziehvater Dörflein ging auch mir ans Herz. Aber muss man deswegen gleich durchdrehen?
In der Redaktion war Knut jeden Tag Thema. Dass selbst erwachsene Männer in dieses "Ist-der-nicht-süüüß"-Geschwärme ausbrachen, war mir suspekt. Genauso wie all diese Projektionen, für die der kleine Kerl fortan herhalten musste. Dass die zu Zehntausenden in den Zoo strömenden Kinder und deren Eltern Knut knuddelig fanden, na klar! Fanden meine Jungs und ich ja auch. Aber der Bär und sein Pfleger wurden plötzlich zum Familienersatz, zu Sinnbildern des neuen Zusammenlebens erklärt, sollten für den Zustand des neuen Berlins stehen, wurden erst Klima- und dann gar Weltenretter. Ging es noch verrückter?
Als der heranwachsende Knut sich dann wie ein Eisbär verhielt, kam schnell die Ernüchterung. Die Besucherzahlen sanken. Das Interesse erlahmte. Dass er doch tatsächlich lebende Karpfen aus seinem Becken fischte und fraß und später einen unvorsichtigen Vogel verschlang, sorgte für Protest. Als er auf Besucher zustürmte und am Glasrand des Beckens die Zähne fletschte, wurde aus Knut plötzlich der Problem-Bär. Er sei verhaltensgestört, hieß es. Und Schuld daran trage der Zoo und sein zugegebenermaßen ruppiger Direktor.
Dass Eisbären die größten und gefährlichsten auf dem Festland lebenden Raubtiere sind und die Zoobesucher eher als Mahlzeit betrachten denn als Freunde, wurde einfach negiert. Es konnte nicht sein, was nicht sein sollte.
Mir gefiel der wilde Knut richtig gut. Ich mochte den Eisbären und nicht das Plüschtier. Wenn ich mit meinen Kindern im Zoo war, sind wir bei Knut vorbeigegangen. Meine Kinder staunten immer wieder über diesen mächtigen Koloss, der sich genauso im Schlamm herumtollen und eindrecken konnte wie sie selbst. Und sie bewunderten die Kraft - und sie hatten Respekt. Dass der Bär gefährlich ist, spürten sie sofort. Es machte ihn für sie aber auch so faszinierend.
"Ist Knut jetzt im Himmel?", hat mich mein Vierjähriger in der Rugby-Pause gefragt. "Geht es ihm da gut?" Wir wollen es hoffen.
René Gribnitz
http://www.morgenpost.de/printarchiv/ber...wilde-Knut.html
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