Jetzt muss ich auch noch etwas zu dem "Menschen-Eisbären Unglück" auf Svalbard schreiben.
Voraus schicken muss ich: Natürlich muss auch hier das Menschenleben gerettet werden und im Notfall das Tier geopfert. Keiner von uns würde zögern, auch wenn es um seine adulten Kinder geht, sie zu retten. Aber da wurde leider viel geschlampt. Ein Trip ins Eisbärengebiet, Verhältnis Eisbären zu Menschen in etwa : 2000 zu 2000, sagt ja schon alles. Das ist kein lustiges Abenteurcamp. Da ist man wirklich mitten in der wilden Natur.
Diese doofe Schlagzeile heute: Gruppenleiter tötete heldenhaft Eisbären mit einem Kopfschuss
Der heldenhafte Gruppenleiter hat anscheinend alle Sicherheitsvorkehrungen für sein Camp schlampig erledigt, sonst hätte der ausgehungerte Bär die Jugendlichen nicht unbemerkt überraschen können.
Zufällig habe ich erst vor einigen Tagen gründlich über Spitzbergen, Svalbarden und den Verhaltenscodex vor Ort in Bezug auf Eisbären gelesen. Da steht ausdrücklich: Nie auf den Kopf schießen, weil die Schädelknochen so massiv sind, dass die Kugeln oft abprallen.
So weit so gut zur Berichterstattung. hier habe ich euch die wichtigen Textteile eingestellt:
Verhaltensregeln im Verbreitungsgebiet:
- tagsüber, in Gruppen mit mindestens 4 Personen reisen.
- das Camp nie direkt an der Küstenlinie platzieren (die Strände werden auf Futtersuche abgelaufen), auf Geländeüberblick achten.
- Kochstelle: Windrichtung ausfindig machen und MIT dem Wind mindestens 100 m vom Zelt weggehen, hier kochen. Diese Richtung besonders im Auge behalten (ein möglicherweise vom Geruch angelocktes Tier wird wahrscheinlich aus dieser Richtung kommen). Mein Tipp: auf Wandertouren einfach abends kalt essen und unterwegs kochen, so kommt man nicht in den Stress mit der Kochstelle.
- auf geruchintensives Kochen verzichten (eher nicht lecker Speck mit Zwiebeln anbraten), Kochutensilien immer reinigen und nie zurück zum Zelt nehmen.
- Lebensmittel und Abfälle (dazu gehören auch benutzte Tampons/Binden) mindestens 100 m weit Weg vom Zelt lagern (also am Besten ein Dreieck aus Kochstelle, Zelt und Lebensmittellager), wenn möglich Lebensmittel erhöht (3 m!) lagern.
- Orte mit offenkundigen Zeichen von Bärenaktivität (Kadaver, Fährten, Kot) meiden
- mit Essensresten verschmutzte Hände, Messer etc. nicht an der Kleidung abwischen, nicht mit dem Fleece-Pullover im Dampf des Kochers stehen
- Lärm beim Gehen durch unübersichtliches Gelände machen.
- Umgebung beobachten.
- Hunde anleinen.
- sich nicht mit stark riechenden Cremes, Seifen, Deos zuballern (in Alaska wird auch vom Benutzen von Labellos gewarnt, pures Fett!)
- Lebensmittel in Luftdichten Behältern verpacken; alles was „riecht“ (z.B. auch Zahnpasta) und das Kochgeschirr (inkl. Besteck, Tasse Teller etc.) mit einem dicken Plastiksack vom Rest des Gepäcks trennen.
- auf Svalbard wird empfohlen einen „trip-wire“ um die Zelte aufzustellen (ein leichtgewichtiger Zaun, dessen Draht mit den Auslösern mehrerer Leucht-Knallkörper verbunden ist).
Verhaltensregeln beim Kontakt:
- nicht zwischen Muttertier und Junge geraten, wenn doch in „angemessener Geschwindigkeit“ zurückziehen. Greift die Mutter an siehe „Hinweis“.
- stößt man auf einen Bären der gemäßigtes Interesse zeigt (wittert, sich auf die Hinterbeine stellt, nicht sofort wegläuft) sollte man ruhig bleiben und einen geordneten Rückzug antreten, das Tier jedoch nicht aus den Augen lassen.
Falls ein Eisbär keine Anzeichen von Furcht oder Respekt zeigt, das Camp/die Gruppe umkreist (das tun sie zumeist um in die Lee-Seite zu kommen und den Geruch zu checken), oder sich gar zielstrebig annähert:
- Gruppenmitglieder sollten sich nebeneinander aufstellen
- selbstbewusst (nicht waghalsig) auftreten, und Lärm machen (Signalhörner, mit Töpfen klappern, Schneemobil oder Aussenborder anwerfen, etc.)
- „stand your ground“, aufrecht stehen, mit Armen wedeln, niemals weglaufen
- „Knallkörper“ zwischen sich und das Tier werfen (nicht hinter das Tier :), Warnschüsse
- es gibt keine Hinweise darauf, dass Eisbären sogenannte „bluff-charges“ (Scheinangriffe) machen. Also bringt tot stellen nichts. Die Opfer werden getötet und gefressen. Darum im schlimmsten Fall alle möglichen Waffen einsetzen: kochendes Wasser, Beil etc.
-es gibt im Gegensatz zu Braun oder Schwarzbären keine belastbaren Hinweise darauf, das Pfefferspray Eisbären abhält (2 mal soll es funktioniert haben) schaden kann es aber nicht!).
Hinweis:
Es wird dazu geraten (auf Svalbard sogar angeordnet) sich in Eisbärengebieten bewaffnet zu bewegen. Bewaffnet heißt ein Gewehr des Kalibers .308 win, 30-06 oder stärker. Einzige Alternative ist eine „pump-action shotgun“ des Kalibers 12. Das Feuern auf einen Eisbären gilt als allerletzte Option. Zudem MUSS der Schütze seine Waffe perfekt und unter Stress beherrschen können. Im Falle des Einsatzes empfiehlt die norwegische Regierung: “If an aggressive bear attacks with no sign of being scared away by warning shots, shoot with the aim to kill. This is a last resort. Aim for the chest, below the head, either from the front or the side. Do not attempt a shot in the head because the skull of polar bears is tough and well protected by heavy muscles, and the vulnerable area is surprisingly small even on a big bear. Keep shooting until the bear lies still, and do not approach it until you are sure it is dead. Even then approach the bear from behind.“ Amen.