TT-Interview
„Ohne Zoo würde es manche Tierarten nicht mehr geben“
19.01.2018 / 16:18 Uhr
Zitat
Seit 1. Jänner leitet André Stadler (39) den Innsbrucker Alpenzoo. Im Interview erläutert er sein Verständnis eines Tierparks. Der Biologe kann jeder Kreatur etwas abgewinnen, sogar einer Zecke.
André Stadler wollte schon als Kind Zoodirektor werden. Mit dem Alpenzoo hat er dieses Ziel erreicht. © TT/Thomas Böhm
Sie stammen aus Wuppertal in der Nähe des Ruhrgebiets in Deutschland. Da liegt eine Frage gleich auf der Hand: Welche könnte das sein?
Sie vermuten wahrscheinlich, dass Wuppertal nicht so grün ist wie Innsbruck, sondern eher industriell. Es ist aber die deutsche Stadt mit den meisten Wäldern.
Ich wollte Sie eigentlich fragen, für welchen der populären Fußballvereine aus der Region Ihr Herz schlägt: für Borussia Dortmund oder Schalke 04?
Für Eintracht Frankfurt.
Das ist überraschend.
Es liegt daran, dass ich als Kind nicht wusste, was „Eintracht“ bedeutet. Seither bin ich Anhänger dieses Vereins. Künftig werde ich auch zu Wacker Innsbruck halten. Hoffentlich klappt es mit dem Aufstieg. Fußball ist ein netter Zeitvertreib. In Wuppertal spielte ich in einer Mannschaft aus Zoomitarbeitern. Vielleicht lässt sich ein solches Team auch in Innsbruck bilden.
Schon als Kind wollten Sie Zoodirektor werden. Wie kam es dazu?
Ich habe Bernhard Grzimek, den damaligen Direktor des Frankfurter Zoos, im TV gesehen. Der hatte lebende Wildtiere im Studio, sogar einen Geparden. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Von da an ging ich in Richtung Zoodirektor: absolviertes Biologiestudium, mehrere Praktika und zuletzt Arbeit als Kurator, also Assistent, des Direktors im Zoo von Wuppertal.
Wie stark war Ihre Verbindung zu Tirol vor dem beruflichen Wechsel?
Ich kannte Tirol nur als Tourist, im Alpenzoo war ich als Kind. Tirol als Ganzes ist für mich Neuland. Das macht auch den Reiz meines Wechsels aus. Stadt Innsbruck und das Land haben viel Charme.
Der Tiroler Charme gilt als gewöhnungsbedürftig und kann herb ausfallen, zumindest anfänglich.
Da habe ich bisher andere Erfahrungen gemacht. Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden. Und mir gefällt ganz besonders die Wertschätzung, mit der sich die Menschen hier begegnen.
Woran erkennen Sie diese Wertschätzung?
Hier in Tirol ist es ganz normal zu grüßen, wenn man jemanden im Aufzug trifft. In Wuppertal ist das anders: Da würde sich jeder fragen: „Warum grüßt er mich, ich kenne den doch gar nicht, was will der von mir?“ In Deutschland geht es schon härter zu.
Sie wohnen direkt in Rufweite des Alpenzoos, in der Weiherburg.
Ja, ich wohne mit dem Alpenzoo vor der Haustüre. Meine Frau Eva, sie ist ebenfalls Biologin, wird nach Innsbruck übersiedeln. Die Lebensqualität hier ist ja fantastisch.
Vermutlich teilen Sie Ihre Bleibe auch mit Haustieren?
Ich hatte Vögel und Kaninchen von klein auf. Seit damals habe ich nie ohne Haustiere gelebt, zuletzt waren es Katzen und Hunde. Eine meiner Katzen kommt mit nach Innsbruck. Und dazu kommt noch der Zoo mit 2000 Tieren.
Der Alpenzoo widmet sich Tierarten, die in den Alpen vorkommen. Wie viele davon haben Sie schon in freier Wildbahn gesehen?
Ich bin in meiner Freizeit begeisterter Vogelbeobachter. Mich gibt es privat kaum ohne Fernglas zu sehen. Die Vogelarten im Alpenzoo habe ich alle schon in der Natur gesehen, auch Adler und Geier, ebenso die Säugetiere. Ein paar Schlangen fehlen mir noch.
Für Gämsen und Steinböcke muss man sich höher hinaufwagen.
Ich bin kein Bergsteiger, aber Steinböcke konnte ich in den Schweizer Bergen erleben. Ein Freund wusste die passende Stelle.
Wenn Sie ein Wappen hätten, welches wäre Ihr Wappentier?
Ein Adler, dieser majestätische Vogel würde sich auf dem Wappen sicher gut machen. Ich habe aber kein Lieblingstier, ich kann allen Tieren etwas abgewinnen, sogar einer Zecke. Ohne sie hätte die Brut der Singvögel nichts zu fressen. Auch Zecken haben ihren Sinn.
Ihr Vorgänger Michael Martys hat große Fußstapfen hinterlassen. 26 Jahre leitete er den Alpenzoo.
Natürlich werde ich mit meinen Vorgängern verglichen, nicht nur mit Michael. Ich möchte durch Ideen und Begeisterung überzeugen. Der Zoo ist auch ein Bildungszentrum. Ich habe vor, eine große Bandbreite von Menschen für den Artenschutz zu begeistern: Jung und Alt, Touristen, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
Letztlich ist ein Zoo aber doch ein Ort, an dem Tiere in Gefangenschaft leben. Wie gehen Sie mit solchen Kritikpunkten um?
Natürlich sind es Tiere in Menschenhand, umgeben von Zäunen, sonst wären sie weg. Es werden aber auch Tiere wieder ausgesiedelt. Der Alpenzoo etwa hat Bartgeier und Waldrapp fast im Alleingang gerettet. Ohne den Alpenzoo würde es diese Tiere in freier Wildbahn also gar nicht mehr geben. Im Gehege versuchen wir, den Bedürfnissen der Tiere so gut wie möglich nachzukommen – wie in einem All-inclusive-Hotel: Die Tiere werden gefüttert, es wird bei ihnen sauber gemacht, sind sie krank, kommt der Tierarzt, und niemand frisst sie auf. Diese Vorteile haben sie in freier Wildbahn nicht.
Kann es sein, dass Sie die Frage nach der Berechtigung von Zoos schon öfter beantworten mussten?
Ich habe mich mit dieser Frage wirklich ausführlich beschäftigt. Denn ich möchte nichts tun, was ich nicht vertreten kann.
Das Interview führte Markus Schramek
Quelle vom Interview:
http://www.tt.com/lebensart/freizeit/139...-mehr-geben.csp
Ich wünsche Herrn Stadler alles Gute an seiner neuen Wirkungsstätte.