Besuch bei den Eisbären im Rostocker Zoo am 13. und 21. März 2010
Text und Bilder von Anneliese Klumbies
Anneliese hat mir gefragt, ihre Zoobericht ins Forum ein zu stellen. Das mach ich naturlich gerne!
Ich war ein paar Tage an der Ostsee und neugierig auf Vilma, die Kanisterwerferin. Der Rostocker Zoo ist großzügig angelegt mit viel Platz, nur müssten die Gehege erneuert werden. Als nächstes soll das Menschenaffenhaus neu errichtet werden. Man sammelt noch die Spenden dafür. Auch der Bärenfelsen entspricht nach Einschätzung des Zoos nicht mehr heutigen Anforderungen. Anfang der sechziger Jahre, als er errichtet wurde, war er eine der modernsten Anlagen in Europa.
Am 13. März war Eisbärenwetter und das Wasser im Graben noch gefroren. Die beiden Kodiakbären hielten sich zwecks Winterschlummer im Inneren des Geheges auf. Beim zweiten Besuch konnte ich einen der Kodiakbären erblicken, der verschlafen und dekorativ in die Sonne blinzelte.
Vilma lagerte draußen und Vienna, ihre Mutter, steckte ab und an ihren Kopf aus dem Gehegeeingang auf der Suche nach Sensationen oder besser noch nach Futter. Der majestätisch anmutende Eisbärenmann Churchill lümmelte sich getrennt von ihnen im benachbarten Mutter-Kind-Gehege und dämmerte in der Sonne. Dann wurde es lebendig, denn von oben regnete es Äpfel.
Kurze Zeit später tauchte die Tierpflegerin vor dem Gehege auf und schmiss ein paar Runden Leckerli. Da kam Vienna aber auf Trab und verteidigte ihr Revier vor Vilma, d.h. sie drohte ihr mit ihrem Gebiss. Vilma war nicht so ängstlich und zeigte der Mama auch die Zähne.
Ich führte mit zwei Tierpflegern Gespräche und fasse deren Erzählungen hier zusammen:
Vilma ist die Tochter von Vienna. Im Alter von zwei Jahren kam sie nach Nürnberg, um dort nach 4 Jahren wieder Platz machen zu müssen für Flocke. Als Vilma nach Rostock zurückkehrte, erkannte die Mutter sie nicht wieder. Sie begriff ihre Tochter Vilma als Konkurrentin um Futter und Revier und wies ihr mit aufgerissenem Rachen, und bei Bedarf mit Gebrüll, ihren Platz zu.
Vilma wird von den Tierpflegern für nicht besonders helle gehalten; sie brauchte viele Monate, um zu begreifen, dass sie der Mutter besser nicht das Hinterteil darbot, denn Vienna nahm dieses verheißungsvolle Angebot stets wahr, um hineinzubeißen. Jetzt weiß Vilma, dass Vorwärtsverteidigung zwar von furchterregendem Gebrüll begleitet wird und die Gebisse gegeneinander klirren, aber die Konfrontationen ohne Blessuren abgehen.
Vilma ist ja eine große Werfkünstlerin und Jongleurin, aber ich konnte keine Kisten oder Kästen entdecken und verurteilte insgeheim schon die Pfleger als initiativlos. Nur eine riesige massive Plastikkugel war auf dem Eis zu entdecken. Vienna und Vilma fanden nach anfänglich wohlwollenden Untersuchungen der Kugel diese nicht sehr reizvoll, weil sie so massiv ist, dass man sie nicht zerbeißen kann.
Die Tierpflegerin erzählte mir nun, dass Vilma sämtliche Kisten und Kästen und alles übrige Werfbare von oben in den Graben schleudert und hinterherspringt. Man fürchtete, dass Vilma die Metamorphose des Wassers zu Eis und die Konsequenzen, die damit verbunden sind, noch nicht mitbekommen hatte, da sie ja ein wenig schwer von Kapee ist.
Man fürchtete, Vilma würde die Kisten und Kästen hinabwerfen in den Graben, und, wie gewohnt, einen Köpper hinterher machen. Deswegen also muss Wilma ohne ihre Wurfübungen auskommen, solange das Eis hält. Am 21. März, bei meinem zweiten Besuch, war das Eis weitgehend geschmolzen, bis auf wenige Eisschollen. Da bekamen sie zwei Kanister zugeworfen, mit jeweils einem Hering drin.
Es waren billige Plastikkanister, und die zerbissen und zerrissen sie vollständig und Vienna ließ sich die Heringe schmecken. Bei Mutter und Tochter müssen die Fetzen fliegen! Allerdings hatte Vilma, als sie den Kanister bei ihren Jonglierübungen ein zweites Mal hinunterwarf, Hemmungen hinterherzuspringen.
Es waren noch Eisschollen auf dem Wasser und sie hatte wohl Befürchtungen, sich zu stoßen. Wahrscheinlich weiß sie entgegen den Annahmen der Tierpfleger sehr wohl, welche Konsistenz Eis hat und welche Gefahren damit verbunden sind. Vienna war's recht; sie holte sich auch den zweiten Kanister inklusive Hering.
Vilma guckte sehnsuchtsvoll in den Graben, schien zum Sprung bereit, kletterte mit den Vorderpfoten den Abgrund hinunter, um immer wieder einen Rückzieher zu machen. Vienna freute sich. Wieder ein gelungener Tag mit doppelter Beute!
Wenn unser Berliner Zoodirektor nun von den verderbten Sitten im Rostocker Zoo wüsste! Die Rostocker Tierpfleger wussten von dessen merkwürdigen Ansichten, Plastikobjekte gleich Müll, und dessen Verbot, die Tiere durch geeignete Materialien zu beschäftigen. Ja, von dem hätten sie schon gehört. Die armen Tiere!
Den Rostocker Tierpflegern ist das Konzept der „Verhaltensbereicherung“ geläufig: Anregungen zum Spiel durch Spielobjekte, viele kleine statt einer größeren Mahlzeit, Umgestaltung des Geheges, um den Alltag interessanter gestalten zu können, z. B. Möglichkeiten zum Verstecken und Klettern schaffen usw. Über die Mängel ihrer Gehege sind sie sich bewusst. Es ist "nur" eine Frage des Geldes!
Es geht weiter in Teil 2!